Backstage – Hinter den Kulissen

Kulissen - Wechsel 1999

Die Betreuungsarbeit im Obdachlosenheim hatte ich schweren Herzens aufgegeben. Deshalb war ich unabhängig von einer Ganztagsarbeitsstelle, auf der Suche nach einem neuen Nebenjob. Ein Kollege aus dem Heim erzählte mir, dass er da etwas für mich hätte. Die Sache habe aber einen kleinen Haken. „Ja, welchen?“, fragte ich. Es arbeiten da ausschließlich Männer. Ich musste lachen; „Im Heim waren ja auch nur männliche Bewohner, da werde ich auch das aushalten.“ P., meine neu gewonnene Liebe, meinte ebenfalls, dass ich das locker packen würde.

Erster Gig

Mein erster Auftragsort war die Wiener Stadthalle. Aufgeregt stand ich viel zu früh beim vereinbarten Treffpunkt. Gekleidet mit meiner unverwüstlichen schwarzen Lederhose, mit der ich schon einiges erlebt hatte. Meine schon kultige braune Lederjacke, die so etwas wie mein Talisman der letzten 3 Jahre geworden war und ein einfaches T-Shirt komplettierte das lässige, gleichzeitig für schwere Arbeit passende Outfit. In meinem Gürtel hatte ich das „Buck-Tool“, das ich von P. geschenkt bekommen hatte eingefädelt. Dieses Multifunktionswerkzeug war ideal für alle Gelegenheiten. Selbstverständlich hatte ich auch Arbeitshandschuhe dabei. Meine Haare hatte ich zur Sicherheit ein wenig zusammengebunden. Ich fühlte mich wirklich gut ausgerüstet, für das was da kommen sollte.

Los gehts!

Ein riesiger Truck fuhr vor. Mein Kollege aus dem Heim begrüßte mich und stellte mich den anderen Mitarbeitern kurz vor. Vorwiegend muskulös gebaute Männer mit jeder Menge Tätowierungen und langen Haaren begrüßten mich lässig mit einem Handschlag. Manche waren wohl ein wenig erstaunt, dass da plötzlich eine junge Dame (ich war damals 37 Jahre alt) in ihrer Truppe war. Doch das schien weiter kein Problem zu sein. Es ging gleich zur Sache. Die Ladebordwand wurde runtergefahren. Im inneren des Lastwagens standen dutzende schwarze und braune Cases. Diese geheimnisvollen Kisten in denen das gesamte Equipment einer Veranstaltung verstaut ist. Stabile Holzbehälter mit PVC Beschichtung zum Schutz vor Kratzer und Nässe. Ein vernieteter Kantenschutz und Kugelecken aus Metall dienten ebenso zur Schonung der Behälter. Die größeren Cases waren mit stabilen Gummirädern ausgerüstet. Alle waren mit praktischen versenkbaren Tragegriffen ausgestattet. Und dann gab es einige mit den sogenannten Butterfly-Verschlüssen

Polternde Kisten

Ich war beeindruckt. Da drin sind jetzt all die Teile, die es braucht um die Musikanten auf der Bühne aus zurüsten. Doch ich hatte nicht viel Zeit zum Staunen. Ruckzuck, schoben wir die Cases vom Laster durch die langen Gänge Richtung Bühne. Es schien als wäre das eine eingespielte Truppe. Jeder wusste wo und wie er anpacken musste. Ich gab natürlich auch mein Bestes, ich wollte keinesfalls einen extra Frauenbonus haben. Natürlich kannte ich meine körperlichen Grenzen und mitunter nahmen mir die Jungs galant einige etwas größere Teile ab. Es klappte wunderbar. Polternd schoben wir eine Kiste nach der anderen zur Stage. Nun war der Moment gekommen, wo all diese Transportkisten geöffnet wurden. Kilometerlange dicke Kabel mit unterschiedlichen Anschlüssen waren darin gut verpackt. Einer der Jungs erklärte mir, wie man die Butterfly-Verschlüsse der Cases öffnet. Mikrofone, Stecker, Pedale für Schlagzeuge und viele andere Teile kamen zum Vorschein, die ich im ersten Moment nicht wirklich zuordnen konnte.

Soundcheck

Im Konzert und Backstage-Outfit!

Dann wurde ich mit zwei Männern der wilden Truppe nach oben zu den Scheinwerfern beordert. Na super, dachte ich. Ich mit meiner Höhenangst. Doch dort oben war es stockdunkel. Ich folgte lediglich dem Schrittgeräusch meines Vordermanns. Über Metallgitter schritten wir zu den großen Leuchten. Auf der Bühne sah es schon recht ordentlich aus.

Wie aus dem nichts gingen dann plötzlich die Lautsprecher an. „Test, Test, 1, 2“, sprach jemand durch die Halle. Soundcheck. Jedes Musikinstrument wurde separat mit dem Tonmeister abgestimmt. Jetzt wäre ich lieber auf der Bühne gewesen, doch wir mussten noch einige Kabel ein und umstecken, damit ausreichend Licht auf den Star des Abends gerichtet werden konnte. Die Aktion dort ganz oben unter dem Dach der Wiener Stadthalle wurde fix erledigt.

Eine völlig neue Perspektive, dieses Veranstaltungsgebäude so zu betrachten. Ja und das ganz Besondere daran war, dass ich dann auch noch einen Teil des Konzertes mit ansehen und hören durfte. Joe Cocker.

08. Mai 1999 - Wien Simmering

Am 08.05.1999 gab es einen weiteren Event, bei dem ich als Stagehand im Einsatz war. Ein ganz spezielles Ereignis für mich persönlich. Weil, warum?

Ich war seit 1997 bei fast allen Konzerten des Herrn Dr. Kurt Ostbahn dabei gewesen. Immer erste Reihe, als Zuschauer. Damals waren es an die 30 Veranstaltungen, die ich schon besucht hatte. Sensationell, und jetzt durfte ich die Bühne mit aufbauen! Ich war im siebenten Himmel. Auch wenn dieser an jenen Abend nur weinte. Es goss in Strömen. Mit meinem Konzert- und mittlerweile auch Arbeitsoutfit trat ich wieder meinen liebgewonnen Nebenjob an. Ein besonderes Vergnügen war es für mich, beim Eingang mit den Worten: “Ich gehöre zur Crew!“ Einlass gewährt zu bekommen. Das wollte ich schon immer einmal sagen!

Boots und Dauerregen

Diesmal war vorwiegend Kabelsalat angesagt. Dutzende Verbindungen mussten hergestellt werden. Die Kabel wurden mit Tapes auf den Bühnenboden geklebt und mit Gummimatten abgedeckt.  Auch wenn die Bühne überdacht war, alles war klitschnass. Gut, dass es nicht allzu kalt war. Aquaplaning-Gefahr, trotz meiner gutbesohlten, ebenfalls schon sehr bejahrten Cowboy-Boots. 

Viel Schweiß hatten diese schon schlucken müssen, doch heute waren sie vom permanenten Regen voll besoffen. Die Bühne war übersichtlich, deshalb waren wir auch ziemlich rasch mit dem Aufbau fertig.

Auf dem Mautner Markhof Betriebsgelände in Wien Simmering hatte sich mittlerweile eine unüberschaubare Menge an Besuchern angesammelt. Trotz des anhaltenden Regens war die Stimmung prima. Die üblichen „Kurti, Kurti – Rufe“ hallten durch die dichten Tropfen. Immer wieder ein erhebender Moment, bevor es losging. Gleich, ob es nun bereits der 31. oder 32. Ostbahn-Event war.

gemmas wieda an

Dieses Konzert vermittelte mir ein großes Gefühl der Erbauung, denn ich hatte beim Aufbau der Bühne mitgeholfen. Nach ein paar Stunden Arbeit hinter und auf der Stage, durfte ich nun in gewohnter Rolle als Gast mit singen, mitklatschen und das Ereignis in vollen Zügen genießen. Das Konzert startete traditionell mit... gemmas wieda an…

SetList und Fotos zum Konzert. Birgit Denk war damals mit dabei!

Vor und hinter der Bühne

Nach den (fast) üblichen drei Stunden musikalischen Hochgenusses, fuhr ich überglücklich nach Hause. Erwartungsvoll empfing mich P. Daheim mit heißen Kaffee. Den konnte ich nun gut gebrauchen. Ich war bis auf die Unterwäsche durchnässt. P. musste mir beim Ausziehen der Lederhose helfen. Meine strapazierfähige Beinbekleidung war so steif, dass sie tatsächlich von alleine stand. Aber so eine Hose, hält was aus und deshalb besitze ich sie noch heute. Immer wenn ich sie im Schrank sehe, muss ich an diesen Abend denken.

Wahrlich beeindruckende Stunden mit  Einblicken zu Backstage – Hinter die Kulissen, nach all den Jahren vor der Bühne.

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verfasst am 21.01.2015 aktualisiert am 12.07.2023 ©Bluesanne

21:34:04 2023-09-09

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