Spiel mir das Lied vom Tod

Wien, 15.12.2020

Vorwort

Abermals ein Blick in meine frühe Jugend. In eine Zeit ohne Mobiltelefon, Internet, hunderte Fernsehsender oder Streamingdienste. Kontakte knüpfte ich damals hauptsächlich in der Schule. Musik hörte ich vorwiegend mithilfe des Radios, Musikkassetten und Schallplatten.

Akustische und olfaktorische Eindrücke bleiben besonders tief verankert in unserem Gehirn und lassen uns die Bilder aus unserem Vorleben ziemlich detailliert aufblitzen. Vielleicht dient die Vergangenheit dazu, die Gegenwart besser zu begreifen und die Zukunft wissender zu gestalten.
Der Tod ist uns dieses Jahr besonders nahegekommen. Präsenter als je zuvor. Täglich werden uns die Zahlen der Menschen mitgeteilt, die an Covid  verstorben sind. Memento mori (Sei dir der Sterblichkeit bewusst). Ins alltägliche Bewusstsein gerückt. Tod kann grausam sein, Tod kann eine Erlösung sein. Umso älter man wird, desto näher kommt man ihn.

C´era una volta il West (1969) im Original. Der Western von Sergio Leone. Auch wenn man kein Fan dieser Art von Film ist, die Musik daraus kennt wohl Jeder. Die anschwellende Mundharmonika, welche das staubige Drama begleitet. Ennio Morricone (geb. 1928) aus Rom konnte nicht ahnen, dass diese Melodie auch einem Mädchen im zarten Alter von 13 Jahren, Angst und Schrecken einjagen würde.

Verbotenerweise lud dieses Mädchen eine Freundin zu sich nach Hause ein. Nachdem sie ein wenig über die Schule geplaudert hatten, entdeckten sie die Schallplatten in einer Ecke des Wohnzimmers. Verbotenes Terrain. Jedoch die Neugierde war größer. Sie nahmen die schwarzen Vinyls aus ihren zerknitterten Hüllen. Der Plattenspieler war alt, aber er funktionierte noch. Der Plattenteller und der Tonarm waren Originalteile aus den Sechziger. Das Gehäuse bestand aus einer gebrauchten Obstkiste, auf welcher in blasen Schriftzügen Fruits zu entziffern war.

Voller Anspannung legten sie die glänzende Scheibe, versucht ja keine Fingerabdrücke zu hinterlassen auf den Plattenspieler. Der Schalter „45“ war eingeschaltet. Es machte „Klick“. Die Nadel senkte und näherte sich nun der Single und tauchte in die Rille ein. Es knisterte ein wenig, doch die Mundharmonika übertönte das Rauschen. Die Stimmung war angespannt, keiner sagte was. Nicht nur wegen der Musik, nein, es war immer die Angst im Hinterkopf. Angst sie werden ertappt. Darum stand das eine Mädchen immer am Fenster und starrte vom 6. Stock hinab auf die Straße, um zu sehen, ob das Auto ihres Vaters schon geparkt hatte.

Der Rhythmus des Films ist darauf angelegt, die Spannung der letzten Atemzüge eines Menschen kurz vor seinem Tod wiederzugeben. Spiel mir das Lied vom Tod ist vom Anfang bis zum Schluss ein Tanz mit dem Tod (Sergio Leone)

Noch heute lässt mich diese Melodie mit Schaudern an diesen Moment denken.

verfasst am 28.05.2006 aktualisiert am 15.12.2020 + 04.09.2023  ©Bluesanne

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