Ich gehe mit Dir durch die Hölle

Wien, 28.04.2020

In Zeiten von, jetzt in dieser schweren Zeit, gerade in dieser Zeit, und mit vielen ähnlichen Formulierungen beginnen seit etlichen Wochen die Meldungen in sämtlichen Medien. Ein kleines Kind schrie heute durch seine obligatorische Mundschutzmaske bei der Kassa im Supermarkt: „Corona, Corona, Corona…überall nur noch Corona!“ Ja, mittlerweile unerträglich. Man kann es schon nicht mehr hören, auch wenn es nun mal eine ernstzunehmende Situation ist.

Empfinden der Normalität

Petrischale
Möge…Corona ein Ende finden

Mit all den aktuellen und den nicht vorhersehbaren Folgeschäden, die damit verbunden sind. Inmitten einer Gefahr umzingelt vom vermeintlichen Feind, hat man keinen klaren Blick auf die Gesamtsituation. Menschen reagieren unterschiedlich, wenn es brenzlig wird. Wenn er von einem Tag auf den anderen verunsichert in die Zukunft blicken muss. Eine Milchglasscheibe steht plötzlich vor all den entworfenen Plänen, die nun sehenden Auges daran herunter rinnen. Zerrinnen im Nichts. Nichts ist jetzt so wertvoll, als Hoffnung, Zuversicht und die Aussicht auf ein Ende, welches ein Neuanfang sein wird. Motivation weiter zu tun, als wäre all das völlig normal. Wie lange dauert es eigentlich, bis man „etwas“, als normal empfindet? Und es dann ohne zu hinterfragen, akzeptiert. Wohl auch eine Frage von Charakter, oder?

Anstrengend allein

Bank of Life
BankOfLife 02.04.2012 42 x 29,5 cm A 3 Acryl + Plaka auf Papier

Eines scheint mir jedoch von großer Bedeutung zu sein, in kritischen Phasen des Lebens: Nicht alleine zu sein, mit all den Sorgen und Problemen. Menschen, die andere Menschen um sich haben, die einfach da sind. Gleich, ob Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder. Diese unterschiedlichen Schultern zum Anlehnen helfen enorm.
Die mentale Überlebensstrategie für einsame und alleinstehende Menschen ist da wesentlich anstrengender, herausfordernder und erheblich mühsamer. Selbst, wenn man Krisen erprobt,  wie ich es bin, ergibt sich jedes Mal eine völlig andere Konstellation. Die erlernten Werkzeuge, die Steigbügel um aus den schwarzen Löchern zu kriechen können hilfreich sein. Selbstmotivation durch Ablenkung, Beschäftigung mit angenehmen Dingen, welche die Seele streicheln. Zerstreuung um die dunklen Gedanken zu zerbröseln.

Zweite-Kassaschreier

Love
Love 17.11.2012 7 x 7 cm Acryl + Varnish auf Leinwand + Staffel

All das kann hilfreich sein, sicherlich, jedoch es wird niemals ein Gespräch mit lebendigen Menschen, eine innige reale Umarmung, eine kollektive Freude empfinden bei einem Live-Konzert,  inmitten von Leuten eines schattigen Gastgarten verweilen und den Sitznachbarn zu lauschen, fröhliche Kinder im Schwimmbad herum tollen zu sehen und und und. Selbst schimpfende Autofahrer, die Zweite-Kassaschreier zu beobachten machen mehr Spaß, als das was im Augenblick rundum zu sehen ist. Und es sich obendrein äußerst befremdend anfühlt.

Inspiration

Essentieller und sicherlich wohlig anfühlender ist menschliche Wärme und gedankliche Nähe. Herzlichkeit. Gleich ob mit oder ohne körperlichen Kontakt.

Nundenn…wandern wir durch die Hölle. Auch wenn der folgende Beitrag, aus einer völlig anderen Motivation und ungleichen Anlass von mir verfasst wurde, scheint er mir passend zu sein für – Ihr wisst schon was. Vielleicht hilft es ja ein wenig Kurzweil in die Abnormalität zu zaubern. Geduld auf zu bringen, ohne sich der Gesamtsituation machtlos zu hinzugeben.  Und/oder ein wenig Inspiration für die Zukunft.

Heiße Wanderung

SunGrows
SunGrows 03.05.2012 84 x 60 cm A 1 Acryl auf Papier

Es ist so verdammt heiß. Von der Stirn fließen die Schweißtropfen, die sich von Mal zu Mal in reißende Ströme formieren. Die Pfützen in den Falten, in den Augenlöchern werden immer größer. Sie schwappen über und überfluten das gesamte Gesicht. Einige Tropfen bahnen sich den Weg über die kantigen Kieferknochen und stürzen in die Tiefe. Manche rinnen gnadenlos den Hals entlang und sammeln sich abermals zu einer Lacke zwischen der Brust. Die Kleidung klebt gnadenlos am gesamten Körper. Die Nässe lässt sie teilweise durchscheinend werden, wodurch sie jegliche Kontur des Körpers sichtbar machen. Immer schwerer wird das Gewand, jeder weitere Schritt eine Tortur. Die nasse Hose reibt gnadenlos zwischen den Schenkeln. Der brennende Schmerz wir unerträglich. Doch es geht weiter. Ein Fuß vor dem Anderen. Im Rhythmus, parallel zueinander wandern wir den staubigen Weg entlang. Jedes einzelne Sandkorn geht mit den nassen Tropfen eine innige Symbiose ein. Vereinigt rollen sie sich zu harten quälenden Kügelchen in den Schuhen.

Amorbogen

Mouth261000
Mouth 26.10.2000 56 x 42 cm A 2 Gouache auf Papier

Wir legen nur kurze Pausen ein, um von dem immer rarer werdenden Wasser zu nippen. Du trägst die Feldflasche mit einem Karabiner an deiner Hose eingehakt. Mit klebrigen Fingern drehst Du den Verschluss auf und reichst mir das kostbare Nass. Du benetzt dir lediglich deine von der Hitze aufgeplatzten Lippen. In deinem Amorbogen hat sich eine Schweißperle ein gebremst. Genervt wischt du sie dir mit dem Arm aus dem Gesicht. Ein kurzer Blick in die Augen sagt mir, es geht weiter. Vor uns eine lange Straße, die im Nirgendwo endet. Einzelne Steine kickst Du lässig mit deinem rechten Fuß aus dem Weg.

Spuren

Stormy Weather
StormyWeather 15.02.2015 60 x 50 cm Acryl + Marker auf Leinwand

Plötzlich kommt Wind auf. Das kühlt so herrlich. Wir bleiben stehen. Stellen uns breitbeinig auf und strecken die Arme hoch in die erfrischende Luftbewegung. Dein halboffenes Hemd flattert lustig im Wind. In deinem Bauchnabel glitzert frech ein Schweißtropfen. Ich schüttle meine Haare aus dem Gesicht und atme tief die erneuerte Luft ein. Wir sehen uns abermals in die Augen. Du nimmst meine Hand sanft in deine und wir gehen weiter. Am Horizont ist lediglich ein schmaler Streifen der Sonne zu sehen. Unsere Kleidung ist mittlerweile getrocknet. Aber sie fühlt sich steif und hart auf der Haut an. Du schüttelst kurz an der Flasche am Hosenbund. Sie ist leer. Ich beginne zu zittern. Mich schüttelt es durch und durch. Fest legst Du deinen Arm um mich. Du willst mich wärmen, aber dir ist selbst kalt. Dennoch fühlen wir uns beschützt. Ich habe längst meine blutenden Blasen in den Schuhen vergessen. Dich amüsiert Dein Loch im Schuh. Die vielen Steine, die du aus dem Weg geräumt hast, haben Spuren hinterlassen. Deine große Zehe ist völlig verdreckt, lediglich ein kleiner Punkt auf dem Fußnagel schimmert in dem letzten Sonnenstrahlen.

Schlaflager

BlauBerg051001
Blauberg 05.10.2001 29,7 x 21 cm A 4 Buntstift auf Papier

Wir haben Glück. Da steht doch tatsächlich eine kleine Hütte, mitten in der Einöde. Vorsichtig öffne ich die knorrige Holztür. An mir huscht hastig eine Ratte vorbei. Du verabschiedest sie höflich mit gelüpftem Hut. Ich grinse dich amüsiert an. Welch ein Gentleman.
In dem kargen Holzverschlag riecht es ein wenig nach Tierkot und anderen undefinierbaren Dingen. Wir beide duften ebenso, nicht gerade nach Rosen. Ich habe das Gefühl, das eine Etappe unseres Weges geschafft ist. Kurzerhand überfällt mich eine intensive Welle des Glücks. Du erkennst sofort das Strahlen in meinen Augen. Wir fallen uns todmüde in die Arme. Das von dir liebevoll hergerichtete karge Schlaflager fängt uns auf. Ein letzter Blick in deine Augen sagt mir, wie sehr du mich liebst. Nicht begehrlich – nicht besitzen wollend – nicht sinnlich. Einfach reine satte tiefe Liebe. Liebe die Kraft gibt für die kommenden Abschnitte des Weges Gute Nacht, ich habe dich so lieb mein ….heranwachsender Freund.

Man muss erst einige Male sterben um wirklich leben zu können.

Charles Bukowski
Bluesanne

Bluesanne

Künstlerin
*Alltagsphilosophin - *Philanthropin - *Autodidaktin - *MusikConnaisseuse
verfasst am 03.04.2015 aktualisiert am 28.04.2020 ©Bluesanne

Links

12:27:37 2023-09-20

Related Images:

Schreibe einen Kommentar

Consent Management Platform von Real Cookie Banner